Standards und Orientierungen


Zu Beginn des Trainings definieren wir unseren zivilisatorischen Standard des Zusammenlebens. „Niemand hat das Recht, den Anderen auszugrenzen, zu beleidigen oder zu verletzen. Geschieht dies dennoch, erfolgt Konfrontation.“

Der Leitsatz stellt die normative Basis dar und ist für jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin nachvollziehbar.

  • Die Erfahrung aus den Trainings zeigt, dass sich der soziale Alltag aggressiver Kinder und Jugendlicher durch Unberechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit auszeichnet. Sie brauchen daher in besonderer Weise klare und eindeutige Orientierungen.
  • Opfer lernen, für schwierige Situationen ihr eigenes Drehbuch zu schreiben
  • Scheinbar unbeteiligte Dritte, die so genannten „Sehleute“ entwickeln eine Kultur des Hinschauens und trainieren das friedfertige Einmischen.

Das Anti-Aggressivitäts-Training entstand als deliktspezifische Behandlungsmethode für gewalttätige Mehrfachtäter. Das zentrale Augenmerk liegt auf der Reduzierung von gesellschaftlich nicht tolerierbarer Gewalt und dem Opferschutz. Das AAT® ist eine Methode für Intensivtäter und damit nicht für den Schulalltag geeignet.
Die Diversifizierung des AAT® öffnete den Blick für andere institutionelle Bereiche, wie den der Schule und der Jugendeinrichtungen, für die das Coolness-Training entwickelt und implementiert wurde.
Im Coolness-Training® fokussiert sich der Blick auf die Beteiligten im Handlungsviereck (Täter, Opfer, Zuschauer, Institution) und dessen Ressourcen. Die Mehrzahl der Schüler brauchen zur Konfliktlösung keine Konfrontation ihres Fehlverhaltens, sondern Parteinahme.
Unter Coolness-Training wird eine ressourcenorientierte, situationsangemessene Mischung aus Kompetenztraining und Anti-Aggressivtäts-Training verstanden.
Das CT® ist eine präventive Maßnahme in Schule und Jugendeinrichtung und eine Anleitung zum Umgang mit schwierigen Situationen. Dabei entwickeln Kinder und Jugendliche eine Kultur des Hinschauens und trainieren die friedfertige Einmischung, mit dem Ziel Konflikte frühzeitig zu erkennen und abzubauen.
Es geht um

  • die Verfestigung eines zivilisatorischen Standards der Friedfertigkeit,
  • die Stärkung der Kompetenz der Peergroup für schwierige Situationen,
  • die Stärkung der Opfer und
  • die Sensibilisierung und Begrenzung der Täter.

Die Besonderheit des CT® liegt im Handlungsviereck der jeweiligen Institution.
Im Gegensatz zum AAT®, das die Täter deliktspezifisch anspricht, richtet sich das CT® an die scheinbar unbeteiligten Schülerinnen und Schüler (Zuschauer), die Opfer, die Täter und die Institution (päd. Fachkräfte). Alle sind in besonderer Weise vernetzt und an der Entstehung von Ausgrenzung, Herabsetzung und Gewalt beteiligt.
Der Täter (klein und jung, wir reden über Schüler*innen) sind oftmals Jungen mit eigenen Opfererfahrungen – niedriges Selbstwertgefühl –, weisen Empathiedefizite auf – arbeiten mit der Lebenshypothese Gewalt mache stark und unangreifbar –, leben mit dem Glauben an die eigene unermessliche Beliebtheit.
Die Opfer tragen zur Geheimhaltung bei, weil sie Angst vor den Tätern haben – befürchten nicht ernst genommen zu werden – schämen sich Opfer zu sein – verfügen nicht über Selbstschutz – können in schwierigen Situationen kein eigenes Drehbuch schreiben – begünstigen durch Körpersprache die tyrannische Gelegenheit.
Die Gruppe (Zuschauer – scheinbar Unbeteiligte) ist vor Angst und Hilflosigkeit gelähmt – begünstigt als Beobachter die Faktoren Auslöser und „tyrannische Gelegenheit“ – verfügt nicht über ein eigenes Drehbuch – ist der eigentliche Machtfaktor.
Die Einrichtung (Schule) Pädagogen werden von den abweichend, bis aggressiv agierenden Schülerinnen und Schülern, häufig auch von den Opfern ausgegrenzt. Dazu kommt eine Tendenz zur Problemverleugnung und Verdrängung seitens vieler Pädagogen, die in Bezug auf das Sozialverhalten Ihrer Schülerinnen und Schüler z. T. mangelhaft vernetzt sind.
Ein weiterer, aber oft vernachlässigter Faktor im Prozess der Problemlösung sind die Eltern der Schülerinnen und Schüler, die im Klassenrat als Elternvertretung oder informell Einfluss auf das Geschehen ausüben.
Mit einer systemischen Betrachtungsweise gilt es vor Beginn eines CT-Projektes zunächst eine richtungsweisende Auftragsklärung mit der Schulleitung, den Lehrkräften, den Eltern und den Schülern vorzunehmen. Die Blickwinkel der Beteiligten unterscheiden sich erfahrungsgemäß recht deutlich. Vor allem bei der Zuschreibung der Verantwortung für die belastenden Prozesse und Zustände in einer Schulklasse gehen die Ansichten oft auseinander. In einem Punkt finden sich jedoch alle wieder. Alle Beteiligten haben ein Ziel: Die Schülerinnen und Schüler, deren Eltern, die Lehrkräfte und die Schulleitung wünschen den jungen Menschen einen erfolgreichen Schulabschluss. Unter der Leitung einer geschickten Moderation (CT-Trainer) der Prozessbeteiligten, finden sich zu Beginn des Projektes alle Beteiligten in diesem Ziel wieder. Schnell wird klar, „das Leben schreibt keine Entschuldigungen“. Nutzen wir die Zeit jetzt.

Im Sinne des systemischen Ansatzes sind Eltern und Erziehende zwingend einzubeziehen. Eltern sind zumindest im Rahmen eines Elternabends über Inhalte und Ziele zu informieren. Zur Teilnahme am CT® muss eine Einverständniserklärung der Eltern bzw. Sorgeberechtigten vorliegen.
Zentrale Inhalte:

  • Bewusstes Wahrnehmen und Deuten aggressiver, negativer Gefühle mit körperlichen Empfindungen.
  • Verringerung der Gewaltakzeptanz (Mobbing, Dehumanisierung, Herabsetzung, körperliche Gewalt).
  • Aushalten von Provokationen in real belastenden Situationen.
  • Reduzierung der Feindseligkeitswahrnehmung.
  • Affektkontrolle
  • Sinnvolles, kontrolliertes Verhalten in Konflikt- Stresssituationen.
  • Erkennen eigener Stärken und Schwächen.
  • Wecken gegenseitigen Interesses und Akzeptanz.
  • Statuskompetenz in der Dynamik der kommunikativen Statuswippe
  • Entspannungsverfahren, Ruhe-Stilleerfahrungen zur Emotionsregulation.
  • Im CTÒ verzichten wir bewusst auf „Heiße Stühle“. Dies schließt Konfrontationen und normverdeutlichende Gespräche bei Regel- und Normverletzungen nicht aus.

Äußerer Rahmen des CT®

  • Die Dauer des CT® ist abhängig vom Konflikt- und Gewaltstandard in der Gruppe. In der Regel zwischen 3 und 6 Monaten.
  • Um nachhaltig zu wirken, benötigt man eine Mindeststundenzahl von 40 über mindestens 3–4 Monate/1–2 x wöchentlich 60–90 Minuten. Die schulischen Strukturen lassen ein derartiges Langzeittraining oftmals nicht zu. Bevor das Vorhaben komplett scheitert, wird empfohlen, die Stundenzahl auf eine realistische und gleichzeitig wirksame Zahl zu reduzieren.
  • Gruppengröße: 6–25 Schüler
  • Mindestens 1 zertifizierter AAT/CT® Trainer plus Co-Trainer (1 Experte für die Gruppe/Klassenlehrer)
  • Raum sollte für Bewegungsspiele geeignet sein (Klassenraum ist häufig ungünstig.)

Innere Struktur des CT®

  1. Warming up
  2. Kampf- und Bewegungsübungen
  3. Inhaltlicher Schwerpunkt (analog zum Curriculum)
  4. Cool-Down
  5. Abschlussaktion (Verabschiedungsritual)

Literaturangaben:
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Walker, J.: Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Grundschule, Berlin 1995
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Weidner/Kilb/Jehn (Hrsg.) Gewalt im Griff, Bd. 3 Weinheim 2003
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